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Verfassungsbeschwerde gegen Videoaufnahmen (Abstandsmessung) auf Autobahn erfolglos

Es ist noch nicht lange her, dass das Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde wegen einer Geschwindigkeitsmessung mit der Geschwindigkeitsmessanlage ESO ES 3.0 hat "abblitzen" lassen. Wir berichteten darüber (AZ - 2 BvR 759/10).

Jetzt hat sich das Bundesverfassungsgericht mit einem Fall einer Videoaufzeichnung einer vorgeworfenen Abstandsunterschreitung befasst:
Das Gericht hatte am 12.08.2010 (AZ 2 BvR 1447/10) über eine Verfassungsbeschwerde eines Autofahrers zu entscheiden, welcher wegen fahrlässiger Unterschreitung des erforderlichen Sicherheitsabstandes bei einer Geschwindigkeit von 137 km/h um weniger als 4/10 des halben Tachowertes zu einer Geldbuße von 360 Euro verurteilt worden war. Die Videoaufnahme erfolgte von einer Autobahnbrücke.

Seine hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts nicht zur Entscheidung angenommen.

Die Argumente:

- Vorschrift des § 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO kann als Rechtsgrundlage für die Anfertigung von Videoaufnahmen zum Beweis von Verkehrsverstößen herangezogen werden

- Die Norm erlaubt die Anfertigung von Bildaufnahmen ohne Wissen des Betroffenen, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise weniger Erfolg versprechend oder erschwert wäre

- Dies gelte sowohl für die Anfertigung von Einzelaufnahmen als auch für Videoaufnahmen

- Bildaufnahmen mittels einer Identifizierungskamera stellen einen Eingriff in das Recht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung dar. Aber:  Der Zweck derartiger Maßnahmen der Verkehrsüberwachung, nämlich die Aufrechterhaltung der Sicherheit des Straßenverkehrs und damit der Schutz von Rechtsgütern mit erheblichem Gewicht, rechtfertigen jedoch eine Beschränkung der grundrechtlichen Freiheiten

- Es würden nur Vorgänge auf öffentlichen Straßen aufgezeichnet werden, die grundsätzlich für jedermann wahrnehmbar sind

- Die Maßnahme ziele zudem nicht auf Unbeteiligte, sondern ausschließlich auf Fahrzeugführer, die selbst Anlass zur Anfertigung von Bildaufnahmen gegeben haben, da der Verdacht eines bußgeldbewehrten Verkehrsverstoßes besteht.

- Keine belastenden Wirkungen für den Betroffene, denn es bestehen in § 101 StPO hinreichende grundrechtssichernde Verfahrensvorschriften über die Benachrichtigung sowie zur Kennzeichnung und Löschung von Daten

- Vor diesem Hintergrund und angesichts des bezweckten Schutzes der Allgemeinheit vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben im Straßenverkehr bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der in Rede stehenden verkehrsrechtlichen Maßnahme

- Soweit im vorliegenden Fall auch Übersichtsaufnahmen von einer Brücke aus angefertigt wurden, ist bereits ein Eingriff in das Grundrecht des Beschwerdeführers auf informationelle Selbstbestimmung zu verneinen: Einerseits war nach den amtsgerichtlichen Feststellungen eine Identifizierung der Fahrer oder Kennzeichen anhand der dauerhaftangefertigten Übersichtsaufnahmen nicht möglich; andererseits  sind die Übersichtsaufnahmen nach ihrer Zweckbestimmung nicht auf eine Individualisierung des Betroffenen ausgerichtet; diese soll vielmehr ausschließlich durch die verdachtsabhängige Anfertigung von Bildaufnahmen mittels der am Fahrbahnrand aufgestellten Identifizierungskamera erfolgen.

Quelle: Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12.08.2010